Die S-200 ist ein stationäres allwetterfähiges Langstrecken-Flugabwehrsystem, das in der Sowjetunion entwickelt und erstmals 1967 dort stationiert wurde. Der NATO-Code des Systems lautet SA-5 Gammon.
Geschichte
Mitte der 1950er-Jahre schritt die Entwicklung hochfliegender Überschallflugzeuge voran. Die damaligen Luftabwehrsysteme zeigten sich dieser Bedrohung kaum gewachsen. Hinzu kam die Entwicklung von thermonuklearen Waffen, die wesentlich zerstörerischer waren als Atombomben. Mit diesen Bedrohungen konfrontiert, gab die sowjetische Regierung bereits früh den Auftrag, mit der Entwicklung effizienter Luftabwehrraketen zu beginnen. Der ab 1954 entwickelte Dal-Raketenkomplex (NATO-Code: SA-5 Griffon, nicht zu verwechseln mit der hier beschriebenen SA-5 Gammon) erfüllte diese Erwartungen nicht, zumal er nicht nur für die Flugzeugabwehr, sondern auch für die Abwehr ballistischer Raketen ausgelegt war. Auch die 1957 in Dienst gestellte S-75 (NATO-Code: SA-2 Guideline) konnte dieses Problem ebenfalls nicht lösen, da die Raketen nur über eine effektive Reichweite von 30km verfügten.
1956 und 1957 vergab die sowjetische Regierung abermals Aufträge zur Entwicklung effizienterer Luftabwehrsysteme, doch auch diese zeigten keine maßgeblichen Erfolge. 1958 gab die sowjetische Regierung erneut den Auftrag, ein solches Luftabwehrsystem zu entwerfen und legte dabei auch die Richtlinien fest.
Diese waren unter anderem:
Ziele mit einer Geschwindigkeit von 3500km/h in 5 bis 35km Höhe und einer Entfernung von 150km abzufangen
Ziele mit einer Geschwindigkeit von 2000km/h in 5 bis 35km Höhe und einer Entfernung von 180 bis 200km abzufangen
Eine Trefferwahrscheinlichkeit von 70 bis 80%
Zudem sollte 1961 ein erster Prototyp für Testzwecke bereitstehen. Das System sollte die Bezeichnung S-200 erhalten.
Zahlreiche sowjetische Entwicklungsbüros wurden für die verschiedenen Komponenten des Systems herangezogen. Den Hauptauftrag erhielt das KB-1 (heute Almas-Antei), den Entwurf der Rakete übernahm ein Entwicklungsbüro unter Pjotr Dmitrijewitsch Gruschin.
Nach etwa 15 Jahren im Dienst der Sowjetunion wurde die Waffe erstmals exportiert: Nach dem Libanonkrieg 1982 wurden 96 S-200B nach Syrien gebracht und 1984 wurde die Technologie zum Betrieb der Exportversion S-200WE an die Syrer übergeben. Die Ausführung S-200WE wurde kurze Zeit später auch in Libyen, südlich von Sirte, installiert. Weitere S-200WE wurden später an den Iran und Nordkorea geliefert.[1]
Offenbar war das Waffensystem im Frühjahr 2018 noch immer in Syrien im Einsatz. Ein israelischer F-16-Jagdbomber wurde am 10.Februar 2018 nach einem Einsatz in Syrien nach israelischen Beobachtern von einer syrischen S-200 abgeschossen.[2]
Entwicklung
Die Entwicklung der S-200 begann 1958 unter der Leitung des KB-1. Beteiligt waren unter anderem auch die Konstruktionsbüros OKB-1, OKB-2 und das OKB-165 (heute NPO Saturn). Nach der Überwindung einiger Probleme konnte die Entwicklung der S-200A Angara schließlich abgeschlossen werden. Die Rakete verfügte über eine effektive Reichweite von 160km. Das System wurde 1967 offiziell in die Bestände der sowjetischen Truppen aufgenommen. Bereits bei der Einführung des Systems zeigten sich jedoch Mängel, die Störfestigkeit war beispielsweise äußerst gering. Dies führte schließlich dazu, dass das System laufend erneuert und verbessert wurde. Die letzte Version des Systems wurde 1976 eingeführt. Das Nachfolgesystem ist die S-300.
Versionen
S-200A Angara(SA-5A), eingeführt 1967
S-200W Wega(SA-5B), eingeführt 1970
S-200WM (oder einfach S-200M) Wega-M(SA-5B)
S-200WE Wega-E(SA-5B), Exportversion
S-200D Dubna(SA-5C), eingeführt 1987
Lenkwaffen
5W21 (W-860) – ursprüngliche Lenkwaffe mit einem Selbstlenkungssystem, wurde 1960–1961 getestet
W-861 – ursprünglich entwickelte Lenkwaffe mit einem Feststofftriebwerk für die zweite Stufe. Wurde nicht gebaut.
W-870 – ursprünglich geplante Nuklearversion der W-860. Wurde nicht gebaut.
5W21A (W-860P) – erste Serienversion der Lenkwaffe für die S-200A Angara.
5W21W (W-860PW) – eine weitere Modernisierung der 5W21A, mit neuer Bordelektronik.
5W28 (W-880) – Lenkwaffe für die S-200W Wega
5W28N (W-880N) – Nuklearversion der 5W28; erste Nuklearlenkwaffe für das System S-200. N (russischН) steht für Надёжная (zuverlässig). Alle Bordsystems der 5W28N hatten eine erhöhte Arbeitszuverlässigkeit.
5W28E (W-880E) – Lenkwaffe für die Exportversion S-200E
5W28M (W-880M, ursprüngliche Bezeichnung bei der Entwicklung der W-890) – Lenkwaffe für die S-200D Dubna.
5W28MN (W-880MN) – Nuklearversion der W-880M.
Technische Daten
Das System besteht aus den folgenden Hauptkomponenten:
TALL KING (P-14 „Lena“, später Oborona TALL KING C)– Suchradar mit einer Reichweite von über 400km
BAR LOCK B, P-37 – Zielsuch- und Zielverfolgungsradargerät
SIDE NET (PRW-17) – Höhenmessradar mit einer Reichweite von bis zu 160km
SQUARE PAIR (5N62/K1) – Feuerleitradar mit einer Reichweite von bis zu 300km
1L22 Parol – Freund-Feind-Abfragesystem (IFF)
K-9 – Führungs- und Zielzuweisungskabine
5P72 – Startrampen für die Lenkwaffen
Zum System gehörten häufig auch eine Lademaschine, der Sattelzug KrAZ-255W bzw. KrAZ-260W als Transport- und Ladefahrzeug.
Am 4. Oktober 2001 wurde ein Passagierflugzeug vom Typ Tupolew Tu-154, unterwegs von Tel Aviv nach Nowosibirsk, von einer Rakete der ukrainischen Marine abgeschossen. An Bord der Maschine waren 65 Passagiere und zwölf Besatzungsmitglieder. Anfangs vermuteten staatliche Stellen einen Terrorakt, später wurde der Fehlschuss einer SA-5 bei einem Militärmanöver bestätigt.
Einsatz und Status
Aktuelle Nutzer
AserbaidschanAserbaidschan: Unbekannte Anzahl in der Version S-200 Wega, im Januar 2018[6]:183
BulgarienBulgarien: Unbekannte Anzahl in der Version S-200 Angara, im Januar 2018[6]:89
IranIran: 10 Startgeräte in der Version S-200 Angara, im Januar 2018[6]:336
KasachstanKasachstan: Unbekannte Anzahl in der Version S-200 Angara, im Januar 2018[6]:189
Korea NordNordkorea: 24 Startgeräte in der Version S-200 Angara, im Januar 2018 im Dienst der Luftwaffe[6]:277
PolenPolen: 1 Startgerät in der Version S-200 Wega, im Januar 2018[6]:137
SyrienSyrien: Unbekannte Anzahl in der Version S-200 Angara, im Januar 2018[6]:363
TurkmenistanTurkmenistan: Unbekannte Anzahl in der Version S-200 Angara, im Januar 2018[6]:209
UsbekistanUsbekistan: Unbekannte Anzahl in der Version S-200 Angara, im Januar 2018[6]:215
Deutschland Demokratische Republik 1949Deutsche Demokratische Republik (Flugabwehrraketentruppen): S-200WE: 24 Startgeräte in 2 Stellungen, ab 1985 eingeführt[7] und ab 1991 in den Bestand der Bundeswehr übergegangen.[8]
DeutschlandDeutschland – Nach der Wiedervereinigung übernahm die Bundeswehr zeitweilig das System im Rahmen der nationalen Luftverteidigung (Flugabwehrraketengeschwader 51 in Sanitz (Stellung in Prangendorf) bis 31. Dezember 1992 und Flugabwehrraketengeschwader 52 in Ladeburg (Stellung in Badingen-Osterne) bis 31. Dezember 1993).[9]
Ракета 5В21А. Техническое описание. Альбом рисунков. Verlag des Verteidigungsministeriums der UdSSR, Moskau 1969.
Ракета 5В21А. Техническое описание. Общие сведения, планер, двигательная установка, двигатели и боевая часть. Verlag des Verteidigungsministeriums der UdSSR, Moskau 1969.
Land-Based Air Defence Edition 2003, 2004, 2005. Jane’s Verlag.
RUSSIA’S ARMS AND TECHNOLOGIES. THE XXI CENTURY ENCYCLOPEDIA Volume 9– Air and ballistic missile defense. The Publishing House– Arms and Technologies.
Ракета 5В21А. Техническое описание. Альбом рисунков. S. 6 und folgende
Ракета 5В21А. Техническое описание Общие сведения, планер, двигательная установка, двигатели и боевая часть S. 6
The International Institute for Strategic Studies (IISS):The Military Balance 2018. 1. Auflage. Routledge, London 2018, ISBN 978-1-85743-955-7 (englisch, Stand: Januar 2018).
The International Institute for Strategic Studies (IISS):The Military Balance 1991-1992. 1. Auflage. Routledge, London 1991, ISBN 978-0-08-041325-9 (englisch).
The International Institute for Strategic Studies (IISS):The Military Balance 1994-1995. 1. Auflage. Routledge, London 1995, ISBN 978-1-85753-115-2, S.51 (englisch).
The International Institute for Strategic Studies (IISS):The Military Balance 2001-2002. 1. Auflage. Routledge, London 2001, ISBN 978-0-19-850979-0, S.116 (englisch).
Україна остаточно відмовилася від ЗРК С-200 (Mementodes Originals vom 16. Juli 2014 im Internet Archive)Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/mil.in.ua
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