Die British Overseas Airways Corporation (kurz BOAC) war eine britische Fluggesellschaft mit Sitz in London und Basis auf dem London Heathrow Airport. Aus ihrer Zusammenlegung mit British European Airways entstand im Jahr 1974 die heutige British Airways.
Geschichte
Die British Overseas Airways Corporation ging 1939 aus der Fusion der Imperial Airways und der ersten British Airways hervor. Die Gesellschaft setzte auf ihren Linien bis 1950 auch Flugboote ein. So dauerte der Flug von Southampton nach dem Vaal-Damm bei Johannesburg 5 Tage, wobei die Fluggäste ihre Nächte in Hotels verbringen durften und die Städte besichtigen konnten. Durch die Eröffnung des damals modernsten Landflugplatzes in Afrika in Livingstone in Sambia (damaliges Nordrhodesien) wurde es möglich, Südafrika mit Flugzeugen des Typs Handley Page Hermes von London aus in einer Flugzeit von nur noch 30 Stunden zu erreichen.[2] Dazu kam zum 1. Januar 1950 die Südamerika-Abteilung durch die Eingliederung der bis dahin unabhängigen BSAA – British South American Airways, die dann als Marke verschwand.
Am 2. Mai 1952 nahm die BOAC mit der De Havilland DH.106 Comet als erste Fluggesellschaft weltweit den planmäßigen Liniendienst mit Düsenverkehrsflugzeugen auf. Nach diversen Unfällen kam es zunächst zu einem Flugverbot. Erst im Jahr 1958 konnte die nunmehr stark umkonstruierte Comet 4 wieder ausgeliefert werden, als die wesentlich leistungsfähigeren Boeing 707 und Douglas DC-8 ebenfalls Serienreife erreicht hatten.
Im Jahr 1974 wurde die BOAC durch einen Beschluss der britischen Regierung mit der British European Airways verschmolzen. Das neue Unternehmen erhielt den Namen British Airways und besteht bis heute.
Flotte
Die BOAC betrieb in ihrer Geschichte eine umfangreiche Flotte an Flugzeugen aus unterschiedlichen Epochen, darunter Douglas DC-3, Vickers Viscount und Boeing 747-100.[3]
Von 1939 bis 1974 kam es bei BOAC zu 69 Totalverlusten von Flugzeugen aufgrund von Unfällen (kriegsbedingte Verluste wie Abschüsse sind hierin nicht enthalten). Bei 35 davon wurden Menschen getötet.[4] Beispiele:
Am 16. Juli 1947 wurde eine Avro York C.1 der BOAC (Luftfahrzeugkennzeichen G-AGNR) beim vierten Anflugversuch auf die Shaibah Air Base (Irak) in den Boden geflogen. Aufgrund zu schlechter Sicht am eigentlichen Ziel, dem Flughafen Basra, war die Besatzung zur Shaibah Air Base ausgewichen. Alle 6 Besatzungsmitglieder wurden getötet; die 12 Passagiere überlebten.[5]
Am 1. Februar 1949 drehte eine Avro York I der BOAC (G-AGJD) beim Seitenwind-Start auf dem Militärflugplatz Tripolis-Castel Benito (Libyen) nach rechts weg; es wurde überkorrigiert und die Maschine stürzte ab. Alle 15 Insassen, 6 Besatzungsmitglieder und 9 Passagiere, überlebten.[6]
Am 2. Mai 1953 zerbrach sechs Minuten nach dem Start vom Flughafen Kalkutta eine De Havilland Comet 1(G-ALYV) der BOAC im Steigflug während eines starken Monsunregens 32 Kilometer nordwestlich des Startflughafens. Alle 43 Personen an Bord starben.[7][8] Der Totalverlust der G-ALYV wurde noch mit schlechten Wetterverhältnissen erklärt. Nach zwei weiteren Totalverlusten wurde ein gravierender Konstruktionsfehler in Verbindung mit Materialermüdungen als Unfallursache gefunden. Die Flugzeugzelle hielt den Auswirkungen des Luftdruckunterschieds, denen sie am Boden und in der Luft bei etwa 11.000 Meter Höhe ausgesetzt war, nicht stand und erlitt kleine Risse, durch die das Flugzeug dann in der Luft auseinanderbrach (siehe Unfallserie der De Havilland Comet).
Am 25. Juli 1953 geriet am Flughafen Kalkutta eine De Havilland Comet 1 der BOAC (G-ALYR) beim Rollen auf unbefestigten Boden, wobei das rechte Fahrgestell nach oben durch den Flügel gedrückt wurde, was zum Totalschaden führte. Auslöser war eine Fehlkonstruktion der Scheinwerfer der Comet. Rechter und linker Landescheinwerfer mussten abwechselnd ein- und ausgeschaltet werden, um das Schmelzen der Lampen zu verhindern. Die Schalter hierfür lagen hinter dem Sitz des Kapitäns, der zum Betätigen das Bugradsteuer loslassen musste. Alle 42 Personen an Bord blieben unverletzt.[9]
Am 10. Januar 1954 zerbrach etwa zwanzig Minuten nach dem Start vom Flughafen Rom-Ciampino Richtung London in der Nähe der Insel Elba (Italien) im Steigflug über dem Meer die Comet 1 G-ALYP der BOAC aus unbekannter Ursache. Alle 35 Insassen kamen ums Leben, darunter Vladimir Wolfson (1903–1954), Mitglied des Vorstandes der BOAC.[10] Während der laufenden Untersuchungen wurde über die Comet vorerst ein Flugverbot verhängt. Die Unfallursache konnte zunächst nicht ermittelt werden. Nur zwei Monate nachdem das Startverbot wieder aufgehoben worden war, verunglückte am 8. April (siehe dort) eine weitere Comet unter ähnlichen Umständen.[11]
Am 13. März 1954 setzte eine Lockheed L-749A Constellation der BOAC (G-ALAM) bei der Landung auf dem Flughafen Singapur-Kallang vor der Landebahn auf und streifte einen Deich. Beim erneuten Aufsetzen, nun auf der Landebahn, brach das beschädigte Fahrwerk zusammen und die rechte Tragfläche vom Rumpf ab. Das Flugzeug drehte sich auf den Rücken und brannte aus. Als Ursachen wurden ein instabiler Anflug mit zu frühem Aufsetzen sowie Übermüdung der Piloten ermittelt. Von den 40 Insassen kamen 33 ums Leben, zwei Besatzungsmitglieder sowie sämtliche 31 Passagiere.[12]
Am 8. April 1954 kam es zum ähnlich rätselhaften Verlust der G-ALYY der BOAC bei Stromboli, Italien. Gut eine halbe Stunde nach dem Start vom Flughafen Rom-Ciampino zerbrach die durch South African Airways gecharterte Comet 1 und stürzte ins Tyrrhenische Meer – alle 21 Menschen an Bord kamen um. Innerhalb eines Jahres war es der dritte Unfall einer de Havilland Comet unter ähnlichen Umständen. Dem Typ wurde daraufhin die Musterzulassung entzogen. Durch aufwändige Untersuchungen wurde Materialermüdung durch Nutzung der Druckkabine als Unglücksursache festgestellt, eine damals neue Erkenntnis, und der Flugzeugtyp umkonstruiert.[13][14]
Am 25. Dezember 1954 kam es mit einer Boeing 377 der BOAC (G-ALSA) auf dem Flughafen Prestwick zu einem extrem harten Aufsetzen vor dem Landebahnanfang. Die aus London kommende Maschine sprang wieder hoch und stürzte auf die Landebahn. Von den 36 Insassen wurden 28 getötet, darunter alle Passagiere bis auf einen.[15]
Am 21. September 1955 stürzte am Flughafen Tripolis nach drei fehlgeschlagenen Anflugversuchen eine Canadair C-4 Argonaut(G-ALHL) ab, als die Maschine beim vierten Versuch 360 Meter vor der Landebahn Bäume streifte und abstürzte (Controlled flight into terrain). Von den 47 Personen an Bord wurden 15 getötet.[16]
Am 24. Juni 1956 stürzte nahe dem Flughafen Kano eine Canadair C-4 Argonaut der BOAC (G-ALHE) kurz nach dem Start ab, als sie nach Einflug in eine Gewitterzelle hinter der Startbahn Bäume streifte. Von den 45 Personen an Bord wurden 32 getötet.[18]
Am 24. Dezember 1958 wurde eine Bristol Britannia 312 der BOAC (G-AOVD) in der Nähe von Bournemouth bei nebligem Wetter in den Boden geflogen. Die Maschine befand sich auf einem Testflug im Rahmen ihrer Jahresnachprüfung. Als beitragender Faktor wurde die ergonomisch sehr ungünstige Auslegung des Höhenmessers als Dreizeiger-Instrument benannt. Neun der zwölf Insassen wurden getötet, darunter alle sieben Passagiere.[19]
Am 11. November 1960 kam es bei einer Bristol Britannia 102 der BOAC (G-ANBC) zum Verlust von Hydraulikdruck, weshalb das Fahrwerk nicht ausgefahren und verriegelt werden konnte. Die Landung auf dem Flughafen Khartum (Sudan) erfolgte auf einem Landestreifen neben der eigentlichen Landebahn, wobei am Flugzeug Totalschaden entstand. Alle 27 Insassen, 9 Besatzungsmitglieder und 18 Passagiere, überlebten.[20]
Am 5. März 1966 verunglückte eine Boeing 707-436 der BOAC (G-APFE) siebzehn Minuten nach dem Start vom Flughafen Tokio-Haneda, als sie infolge einer schweren Clear Air Turbulence in der Luft auseinanderbrach. Alle 124 Menschen an Bord, die sich auf einer Weltumrundung befanden, kamen dabei ums Leben (siehe BOAC-Flug 911).[21]
Am 8. April 1968 musste eine Boeing 707-465 der BOAC (G-ARWE) auf Grund eines Triebwerkbrandes nach dem Start zum Flughafen London-Heathrow zurückkehren. Noch während der Landung riss das Triebwerk ab, der Brand loderte jedoch weiter. Nach der geglückten Notlandung verließen Piloten und Flugingenieur das Cockpit, ohne die Punkte auf den entsprechenden Checklisten abzuarbeiten. Daher wurde unter anderem immer mehr Treibstoff in das Feuer unter der Maschine gepumpt. Dann wurde die gesamte Maschine evakuiert. Von den 127 Personen an Bord kamen 5 ums Leben (siehe BOAC-Flug 712).[22][23]
Im September 1970 entführten Terroristen der PFLP insgesamt vier Passagierflugzeuge; eine fünfte Entführung scheiterte. Drei der Maschinen, darunter eine Vickers VC10(G-ASGN) der BOAC, wurden nach Zarqa in Jordanien umgeleitet. Nach einem mehrere Tage währenden Nervenkrieg wurden die Flugzeuge am 12. September gesprengt.[24] Schließlich kamen alle Geiseln unversehrt frei.
Trivia
BOAC wird in der ersten Zeile des Liedes Back in the USSR der Beatles erwähnt: „Flew in from Miami Beach BOAC, didn’t get to bed last night. On the way the paper bag was on my knee. Man I had a dreadful flight.“[25]
In den James-Bond-Romanen von Ian Fleming fliegt Bond mehrfach mit BOAC, darunter in Der Mann mit dem goldenen Colt.
Im Roman Sie kamen nach Bagdad von Agatha Christie aus dem Jahr 1951 fliegen alle Beteiligten mit BOAC nach Bagdad.
In dem englischen Kinofilm Hotel International aus dem Jahr 1964 ist die BOAC die dominierende Fluglinie.
In Graham Greenes Roman Unser Mann in Havanna erwidert Hawthornes Chef auf dessen Beschreibung seiner Mahlzeit auf einem Pan-American-Flug: „Was für eine grauenhafte Mischung. Sie sollten mit B.O.A.C. reisen.“
In Jeffrey Archer's Roman Erbe und Schicksal (Teil 3 der Clifton Saga) reist Hauptfigur Harry Clifton 1957 als BOAC-Pilot getarnt von London nach Buenos Aires und zurück.
Paul McCartney: Lyrics. 1956 bis heute. Hrsg. mit einer Einleitung von Paul Muldoon. Aus dem Englischen übersetzt von Conny Lösche. C. H. Beck, München 2021, ISBN 978-3-406-77650-2, S. 34–37 (Back in the U.S.S.R.), hier: S. 34.
Fluggesellschaften aus dem Vereinigten Königreich, den britischen Überseegebieten sowie den Kronbesitzungen
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