avia.wikisort.org - Flugzeug

Search / Calendar

Die Bristol Type 175 Britannia war ein in den Jahren 1952 bis 1959 von der britischen Bristol Aeroplane Company gebautes Langstreckenflugzeug für den zivilen und militärischen Einsatz. Angetrieben wurde es von vier Turboprop-Triebwerken Bristol Proteus, die im eigenen Unternehmen entwickelt worden waren.

Bristol 175 Britannia
TypVerkehrsflugzeug, Transportflugzeug
Entwurfsland

Vereinigtes Konigreich Vereinigtes Königreich

Hersteller Bristol Aeroplane Company
Erstflug 16. August 1952
Produktionszeit

bis 1959

Stückzahl 85
Britannia 101 (kurzer Rumpf) in BOAC-Bemalung, 1953
Britannia 101 (kurzer Rumpf) in BOAC-Bemalung, 1953
Eine Bristol Britannia der El Al am 1. Januar 1958 über Tel Aviv-Jaffa
Eine Bristol Britannia der El Al am 1. Januar 1958 über Tel Aviv-Jaffa
Britannia 314 der Canadian Pacific Air Lines, 1965
Britannia 314 der Canadian Pacific Air Lines, 1965
Britannia 312 der Donaldson International Airways im Jahr 1971
Britannia 312 der Donaldson International Airways im Jahr 1971
Bristol Britannia 253 der Young Cargo
Bristol Britannia 253 der Young Cargo
Triebwerke einer Bristol Britannia 312
Triebwerke einer Bristol Britannia 312

Aufgrund ihrer sehr leisen Triebwerke wurde die Britannia als „Der flüsternde Riese“ („The Whispering Giant“) bekannt, was sich allerdings auf den von außen wahrgenommenen Lautstärkepegel bezog und weniger auf die Geräuschkulisse innerhalb des Flugzeugs selbst. Es wurden 85 Exemplare gebaut, deren letztes im Jahr 1997 außer Dienst gestellt wurde.

Der Name „Britannia“ wurde ab 1982 vom britischen Automobilhersteller Bristol Cars Ltd. für ein sportliches Coupé verwendet.


Geschichte


Die Planung der Britannia begann im Jahre 1943, als die Brabazon-Kommission des britischen Verkehrsministeriums unter Lord Brabazon Entwürfe für zivile Flugzeuge für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg prüfte. Einer der diskutierten Vorschläge sah ein viermotoriges Langstreckenflugzeug mit 48 Sitzplätzen für den Einsatz auf den so genannten Empire-Routen zwischen Großbritannien und den britischen Kolonien in Afrika vor. Den Zuschlag für dieses übrigens als unwichtig eingestufte Projekt mit Centaurus-Sternmotoren erhielten die Bristol-Werke.

Für einen Zeitraum von nur zwei Monaten bestand eine Bestellung von 25 Britannias durch BOAC im Jahr 1948. Die Bestellung wurde zurückgezogen, als sich abzeichnete, dass die Comet weit früher als geplant einsatzfähig sein würde und die verspätete Britannia mit ihren Sternmotoren aus dem Rahmen fiel. Anstelle von Kurzstrecken in den Tropen sollte das Flugzeug Atlantik-tauglich werden. Nachdem am 16. August 1952 der Prototyp der Britannia zu seinem Erstflug abhob, wurden 15 Exemplare der Serie 102 an die BOAC verkauft. Diese Maschinen konnten bereits 90 Passagiere befördern.

Im Jahr 1956 erlebte eine als Serie 300 bezeichnete, vergrößerte Version der Britannia ihren Erstflug und wurde von der BOAC bestellt, dann aber zu Gunsten der Serie 310 storniert. Diese Serie 310 zeichnete sich durch eine höhere Reichweite aus, die bereits einen Nonstopflug über den Nordatlantik in beiden Richtungen ermöglichte. Schließlich entstanden noch die Serien 252 und 253 als Militärtransporter für die Royal Air Force. Weitere Käufer der verschiedenen Britannia-Versionen waren Fluggesellschaften wie die Canadian Pacific Airlines oder die El Al.

In der Zwischenzeit waren die ersten Strahlflugzeuge wie die britische De Havilland Comet oder die Muster Douglas DC-8 und Boeing 707 aus den Vereinigten Staaten auf dem Markt erschienen. Die Britannia mit ihrem Turboprop-Antrieb wurde so quasi über Nacht zum alten Eisen. Die Produktion wurde daraufhin nach nur 85 Exemplaren beendet.

Canadair erwarb 1954 die Lizenz für Nachfolgemodelle. Daraus entstand neben dem durch Kolbenmotoren angetriebenen Seeaufklärer Canadair CL-28 Argus auch die CL-44, die bei Heavylift bis vor wenigen Jahren noch im Einsatz stand.


Konstruktion


Cockpit einer Bristol Britannia
Cockpit einer Bristol Britannia

Die Bristol Britannia ist ein Ganzmetallflugzeug, in ihrem Aussehen und ihrer Leistung vergleichbar mit der fünf Jahre später erschienenen sowjetischen Iljuschin Il-18. So ist sie als Tiefdecker ausgelegt und mit einem Normalleitwerk ausgestattet. An ihren trapezförmigen Tragflächen, welche eine leichte V-Stellung aufweisen, sind vier Turboprop-Triebwerke vom Typ Bristol Proteus angebracht; die verstellbaren Vierblatt-Propeller drehen sich in Flugrichtung betrachtet links, also im Gegenuhrzeigersinn.

Das Hauptfahrwerk besteht aus zwei vierrädrigen Sätzen, wobei je Fahrwerk zwei Räderpaare hintereinander angebracht sind. Beim Einfahren werden diese um 90° zurückgeklappt und nach hinten in die jeweils innere Triebwerksgondel eingezogen (wie unter anderem auch bei älteren Tupolew-Passagiermaschinen und genau umgekehrt, wie es bei dem sowjetischen Pendant Il-18 der Fall ist). Das Bugfahrwerk wird nach vorn eingezogen. Wie bei den meisten Flugzeugen dieser Größenklasse werden auch bei der Bristol Britannia die großen Fahrwerksklappen nur für den Ein- bzw. Ausfahrvorgang geöffnet während kleine Fahrwerksklappen im ausgefahrenen Zustand stets offen bleiben.

Der Rumpf weist einen kreisförmigen Querschnitt auf und ist mit einer Druckkabine versehen. Beidseitig des Mittelganges befinden sich die Sitzreihen mit je drei/drei Sitzen nach jeder Seite hin, an den Seiten befinden sich (außer bei den Frachtversionen) durchgehend große ovalförmige Fenster. Die zwei Einstiegstüren an der linken Seite werden zum Öffnen nach innen gerückt und nach hinten in Seitenschächte eingeschoben.


Nutzung



Allgemein


Neben britischen Fluggesellschaften wurden Exemplare der Bristol Britannia bereits in den 1950er Jahren auch von zahlreichen ausländischen Fluggesellschaften erworben, so unter anderem von der staatlich-kubanischen Cubana. Auf Kuba wurden sie auch nach der Revolution von 1959 noch lange Zeit beibehalten, und zwei davon wurden zwischendurch an die tschechoslowakische ČSA vermietet, wobei diese kurzzeitig sogar eine dortige Zulassung und Bemalung erhielten. Durch solche ‚Umwege‘ war die Bristol Britannia einer der wenigen westlichen Flugzeugtypen, welche zeitweise regelmäßig im Linienverkehr und in den Farben von Fluggesellschaften des Ostblocks eingesetzt wurden (wie ansonsten noch die britische One-Eleven bei der rumänischen TAROM sowie die Convair CV-240, Sud-Est SE.161 Languedoc und die Vickers Viscount bei der polnischen Polskie Linie Lotnicze LOT).

Außer von der CSA wurde die Britannia in Europa noch von einigen weitere Nutzern eingesetzt. Dies waren die belgische Young Cargo, die irische Aer Turas und Interconair, die schweizerische Globe Air, die spanische Air Spain und die englische Air Faisal.

Die Royal Air Force setzte ihre 20 Britannia C1. und drei C.2 von 1959 bis 1975 bei der 99. und 511. Squadron von RAF Lyneham aus ein. Im Betrieb der Royal Air Force wurde nur eine Maschine durch einen Unfall zerstört, wobei es keine Todesopfer gab.

Der letzte Flug dieses Musters wurde am 14. Oktober 1997 mit einer RAF-Maschine (Kennzeichen XM496) durchgeführt.[1] Diese erhalten gebliebene Maschine hat mittlerweile wieder den Anstrich des RAF Transport Command erhalten.[2]


Betreiber werksneuer Maschinen



Versionen


Britannia 318 der Cubana, 1975
Britannia 318 der Cubana, 1975

Zwischenfälle


Von 1954 bis zur Außerdienststellung 1997 kam es beim Betrieb der Bristol Britannia zu 14 Totalverlusten mit 365 Todesopfern.[4] Vollständige Liste:

Die am 20. April 1967 in Nikosia verunglückte Britannia 313 HB-ITB der Globe Air, Schiphol 1965
Die am 20. April 1967 in Nikosia verunglückte Britannia 313 HB-ITB der Globe Air, Schiphol 1965
Die am 20. April 1967 in Manston verunglückte Britannia 308 G-ANCG der British Eagle, Liverpool 1965
Die am 20. April 1967 in Manston verunglückte Britannia 308 G-ANCG der British Eagle, Liverpool 1965
Die am 16. Februar 1980 in Boston abgestürzte Britannia G-BRAC der Redcoat Air Cargo, Luton 1979
Die am 16. Februar 1980 in Boston abgestürzte Britannia G-BRAC der Redcoat Air Cargo, Luton 1979

Sonstiges


Nachdem Agenten der israelischen Geheimdienste Lakam und Mossad den ehemaligen SS-Obersturmbannführer und logistischen Hauptorganisator des Holocaust, Adolf Eichmann in seinem argentinischen Versteck aufgespürt und am 11. Mai 1960 entführt hatten, erfolgte seine heimliche Überführung nach Israel (um ihm dort den Prozess zu machen) am 20./22. Mai desselben Jahres mit einer Bristol Britannia der El Al, welche offiziell als Diplomatentransportflugzeug getarnt war.


Technische Daten


Kenngröße Britannia 310 Britannia 312[20]
Besatzung4–7
Passagiere13999
Länge37,87 m
Spannweite43,36 m43,35 m
Höhe11,43 m
Startmasse83.990 kg83.914 kg
Reisegeschwindigkeit575 km/h574 km/h
Höchstgeschwindigkeit639 km/h
Dienstgipfelhöhe7315 m
Reichweite6869 km9289 km
Triebwerke4 Propellerturbinen Typ Bristol Proteus 765
mit 3775 PS/2775 kW und Vierblatt-Propeller

Siehe auch



Literatur




Commons: Bristol Britannia – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise


  1. The Britannia Association (High Society). In: Aeroplane Monthly Januar 2001, S. 76
  2. Website der XM496 Preservation Society
  3. C. H. Barnes: Bristol Aircraft since 1910. Putnam, London 1988 (Nachdruck 1994), ISBN 0-85177-823-2, S. 349, 354–355, 397.
  4. Unfallstatistik Bristol Britannia, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 16. Februar 2020.
  5. Unfallbericht Britannia 101 G-ALRX, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 15. Februar 2020.
  6. James J. Halley: Broken Wings. Post-War Royal Air Force Accidents. Air-Britain (Historians), Tunbridge Wells, 1999, ISBN 0-85130-290-4, S. 218.
  7. Unfallbericht Britannia 301 G-ANCA, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 15. Februar 2020.
  8. Unfallbericht Britannia 312 G-AOVD, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 10. Dezember 2018.
  9. Unfallbericht Britannia 102 G-ANBC, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 15. Februar 2020.
  10. Unfallbericht Britannia CF-CZB, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 18. Dezember 2015
  11. 175 Britannia 312 Flight 802/6 accident
  12. Unfallbericht Britannia 302 XA-MEC, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 15. Februar 2020.
  13. Unfallbericht Britannia G-ANBB, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 18. Dezember 2015
  14. Unfallbericht Britannia HB-ITB, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 1. Juli 2018.
  15. Unfallbericht Britannia G-ANCG, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 27. Januar 2016.
  16. Unfallbericht Britannia 253 XL638, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 15. Februar 2020.
  17. Unfallbericht Britannia 312F LV-JNL, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 15. Februar 2020.
  18. Unfallbericht Britannia 253 EI-BBY, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 16. Februar 2020.
  19. Unfallbericht Britannia G-BRAC, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 3. Dezember 2018.
  20. Susan Harris: Enzyklopädie der Flugzeuge: Technik, Modelle, Daten. Hrsg.: Aerospace Publishing. Weltbild Verlag, Augsburg 1994, ISBN 3-89350-055-3, S. 402–403.

На других языках


- [de] Bristol Britannia

[en] Bristol Britannia

The Bristol Type 175 Britannia is a retired British medium-to-long-range airliner built by the Bristol Aeroplane Company in 1952 to fly across the Commonwealth. During development two prototypes were lost and the turboprop engines proved susceptible to inlet icing, which delayed entry into service while solutions were sought.

[fr] Bristol Britannia

Le Bristol Britannia ou Bristol 175 est un avion de ligne de fabrication britannique, conçu à l'origine pour les vols long-courriers et plus spécifiquement pour la desserte de l'Empire britannique. Il est particulièrement moderne au moment de son premier vol en 1952, étant parmi les premiers appareils de transport civil de passagers dotés de turbopropulseurs, offrant 48 sièges dans ses premières configurations. Néanmoins, il ne peut entrer en service commercial qu'en 1957, sept mois seulement avant le Boeing 707 à réaction et apparaît ainsi très rapidement comme un avion obsolète, du moins en ce qui concerne les lignes régulières de passagers. À cela s'ajoutent des difficultés techniques concernant le dégivrage du conduit d'admission d'air des moteurs.

[it] Bristol Britannia

Il Bristol Britannia era un quadrimotore di linea ad ala bassa per rotte a lungo raggio prodotto dall'azienda britannica Bristol Aeroplane Company negli anni cinquanta.

[ru] Bristol Britannia

Бристоль «Британия»[1] (англ. Bristol Type 175 Britannia) — британский турбовинтовой авиалайнер для линий средней и большой протяжённости. Разработан и серийно производился предприятием Bristol Aeroplane Company с 1955 г. по 1960 г в нескольких модификациях. Выпущено 85 самолётов. Впоследствии на основе Bristol Britannia были разработаны самолёты Canadair CP-107 Argus, Canadair CL-44/Canadair CC-106 Yukon и Conroy Skymonster.



Текст в блоке "Читать" взят с сайта "Википедия" и доступен по лицензии Creative Commons Attribution-ShareAlike; в отдельных случаях могут действовать дополнительные условия.

Другой контент может иметь иную лицензию. Перед использованием материалов сайта WikiSort.org внимательно изучите правила лицензирования конкретных элементов наполнения сайта.

2019-2024
WikiSort.org - проект по пересортировке и дополнению контента Википедии